Anna und Sven sind in Hamburg geboren und lieben ihre Heimat. Doch nach ihrer Hochzeitsreise nach Hawaii und Fidschi war klar: Das Fernweh würde sie nicht mehr loslassen und das Reisen ihr Leben fortan bestimmen. Nach zwei Weltreisen an die abenteuerlichsten Orte der Welt, planen sie gerade ihre Reise 3.0. Was das Reisen mit ihnen gemacht hat und warum sie es immer wieder tun würden, verraten sie heute im Interview.
- Reisemotto: Expedition Lieblingsorte – immer auf der Suche nach einem ganzem besonderen Moment oder Ort.
- Reiseziele: Vom Baltikum bis nach Wladiwostok mit der transsibirischen Eisenbahn. Durch die Mongolei und China nach Thailand. Über Singapur, Madeira und Mexiko nach Kuba. Durch argentinische Weinberge bis an die Grenze Boliviens.
- Dauer: 14 Monate
- von … bis: März 2018 bis Mai 2019
- Reiseart: als Paar
- Reisetyp: Backpacker
- Koffer oder Rucksack: Rucksack
- Gesamtbudget pro Person: 18.000 Euro
- Monatsbudget pro Person: 1.300 Euro
- Impfungen: Hepatitis A & B, Tollwut, Typus, FSME, Grippe, Japanische Enzephalitis
- Jobs: gekündigt
- Wohnung: untervermietet
- Aus Deutschland abgemeldet: nein
- Versicherungen: Krankenversicherung von World Nomads
Wann und wie lang waren eure Sabbaticals und was habt ihr, ganz grob, darin gemacht?
Unser erstes Sabbatical dauerte 11 Monate und führte uns von Nordamerika bis in den Süden Patagoniens. Dann von Australien über Neuseeland nach Südostasien und Japan und zurück nach Europa. In dieser Zeit haben wir wenig ausgelassen. Wir waren mit Pinguinen schnorcheln auf den Galapagos-Inseln und sind bis ans Ende der Welt nach Ushuaia gefahren. Wir waren vier Wochen campen in Neuseeland und im Great Barrier Reef tauchen.
Unsere zweite Weltreise startete im schneebedeckten Kosovo. In Jordanien schliefen wir in der Wüste und badeten in Israel im toten Meer. Von der Ostseeküste des Baltikums ging es acht Wochen mit der transsibirischen Eisenbahn durch Russland von St. Petersburg nach Wladiwostok. Einem unvergesslichen Abstecher Nordkoreas folgte die atemberaubende Natur der Mongolei. Bevor wir am Strand Thailands Pause machten, durchquerten wir abwechslungsreiche Regionen der Volksrepublik China. Wir schwammen in Yucatans Cenoten und besuchten den NFL Super Bowl in Atlanta, USA.
Es folgte unsere abenteuerliche Reise mit öffentlichen Verkehrsmitteln durch Kuba. In Argentinien haben wir uns einen Traum erfüllt und die Weinregion um Mendoza in vollen Zügen genossen.
Als euer letztes Sabbatical langsam zu Ende ging: Wie schwer ist es euch gefallen, wieder in euer altes Leben zurückzukehren?
Durch eine Hochzeit von engen Freunden stand unser Ende der Reise lange fest. Trotzdem ist es uns wahnsinnig schwer gefallen, den Flug zurück nach Deutschland zu buchen, und wir haben damit lange gehadert, dass die Reise nun wirklich zu Ende geht.
Zurück in Deutschland: Hattet ihr einen umgekehrten Kulturschock? Was hat dagegen geholfen?
Da wir von unserer 2. Weltreise zurückkehrten, wussten wir, was uns erwartet. Trotzdem hatten wir einen Kulturschock. Volle Supermarktregale. Pünktliche Busse. Bis ins kleinste Detail durchorganisierter Alltag. Die ersten Wochen waren wir mit Job suchen, Wohnung beziehen und neuen Alltag finden, überfordert. Wir haben einige Zeit gebraucht, um in den „neuen“ Alltag zurückzukehren, aber natürlich heilt Zeit die Wunden.
Wie ging euer Leben nach den Auszeiten weiter?
Wir leben weiterhin in Hamburg, aber natürlich verändert man sich, und zwar massiv. Gerade in den ersten Monaten nach einer Langzeitreise geht man mit viel Gelassenheit durchs Leben. Konsum und Materielles sind ebenso unwichtig, wie der typisch deutsche organisierte, strukturierte, pünktliche Lebensstil. Wir schätzen es, unsere Hobbys wie den HSV und die Elbphilharmonie wieder zu haben. Auch das unbegrenzte Angebot an Lebensmitteln und eine eigene Küchen sind prima.
Wie leicht oder schwer war es danach, wieder in einen „normalen“ Nine-to-Five-Job einzusteigen?
Gar nicht so schwer. Auf der Reise ist jeden Tag zu entscheiden: Wo schlafen wir? Was machen wir? Was essen wir? Hier stellen sich viele dieser Fragen nicht. Gerade im Job ist es oft „einfach“, eine Rolle zu erfüllen. Das Tagesprogramm wird durch To-Dos oder Termine definiert, das Mittagessen mit Kolleg:innen abgestimmt. Viele Entscheidungen, die das Reisen anstrengend machen, definieren sich im Alltag hier von alleine.
Was würdet ihr sagen, welche Fähigkeiten habt ihr in euren oder durch eure Sabbaticals gelernt?
Wir sind Recherche-Profis geworden. Egal, ob zu Verkehrsverbindungen, Unterkünften oder Einreisebestimmungen. Anders als in Hamburg, wo jede U-Bahn spätestens nach zehn Minuten Wartezeit kommt, gibt es in anderen Ländern nicht mal Bushaltestellen, geschweige denn Schilder, Standorte oder Google-Maps-Einträge.
Organisation ist das A und O einer Langzeitreise. Situationen, die hier nicht der Rede wert sind, können auf Reisen Stunden verzehren. So zum Beispiel: Wäsche waschen … Die Anzahl der sauberen Unterhosen definiert den Waschtag. Am Waschtag kann nicht gereist werden, da die Wäsche erst trocknen muss, bevor sie wieder eingepackt werden kann. Mit Glück sind Waschsalons bei Google Maps eingetragen. Mit noch mehr Glück ist der gewählte Waschsalons dort auch zu finden und geöffnet. Also: Preise verstehen, Bargeld organisieren, Waschpulver kaufen, Waschmaschine starten, Trockner starten, Wäsche einpacken. Fertig ist der Waschtag.
Oder Hunger stillen: Restaurant Nr. 1 aussuchen, Restaurant finden, geschlossenes Restaurant vorfinden. Restaurant Nr. 2 aussuchen, Restaurant finden, Restaurant ohne andere Gäste vorfinden. Restaurant Nr. 3 aussuchen, Restaurant finden, Restaurant betreten, Preise vergleichen, teures Restaurant verlassen. Restaurant Nr 4. aussuchen, Restaurant finden, Restaurant betreten, Preise vergleichen, Menü verstehen, Essen auswählen, essen!
Und doch kommt es am nächsten Tag häufig anderes, als geplant. So wird man schnell ein:e Organisationsexpert:in.
Und was waren die wertvollsten Erkenntnisse für euch?
Die Welt ist unfassbar vielfältig und gigantisch groß. Es ist unmöglich, alles zu sehen. Wir versuchen, langsamer zu reisen, mehr zu genießen und bewusst auf Stopps, Touren und Ausflüge zu verzichten. So waren wir in unmittelbarer Nähe der bekannten Salzwüste Salar de Uyuni in Bolivien und haben uns schweren Herzens gegen die Tour entschieden, da wir eine Reisepause brauchten.
Die Zufriedenheit der Menschen, die (scheinbar) wenig haben, bleibt lange in Erinnerung. In Myanmar erfreute man sich der gefälschten Fussballtrikots und zeigt sie mit Stolz während die Familie in einer Wellblechhülle ohne fließendes Wasser und Strom zurecht kommt. Auch herzliche Gastfreundlichkeit haben wir oft erlebt. In Vietnam zum Beispiel waren wir sehr krank. Jeden Morgen brachte uns unsere Gastgeberin einen Tee mit Kräutern aus dem eigenen Garten. Klar, dass wir bald genesen waren.
Doch auch Müllberge und die menschengemachte Klimaveränderung begegneten uns täglich. Geschrumpfte Gletscher in Argentinien. Mit Plastikmüll verdrecke Flussbetten in Albanien. Ausgetrocknete Seen in Myanmar. Je mehr wir von der Welt entdecken, desto größer wird die Sorge vor der Zukunft des Planeten.
Haben die Auszeiten eure Einstellung zu Geld, Zeit, Besitz oder Konsumverhalten verändert?
Ja, definitiv.
Besitz und Konsum werden deutlich unwichtiger. Allerdings normalisiert sich die Einstellung, je länger wir (zurück) in Europa sind. Unser Geld wird weniger, doch unsere Eindrücke werden mehr. Reiseerlebnisse und -erfahrungen bleiben ewig. Auf Reisen läuft die Zeit viel langsamer. Ein Jahr unterwegs fühlt sich fast doppelt so lange an wie ein Jahr zu Hause.
Haben sich eure Beziehungen zu Freund:innen, Familie oder Kolleg:innen seither verändert?
Nein, eigentlich nicht. Der Austausch mit Freund:innen mit ähnlichen Reiseerlebnissen ist intensiver geworden.
Habt ihr die Sabbaticals jemals bereut? Oder würdet ihr es wieder tun?
Nein, und unser Plan für unsere Reise 3.0 steht. Unter dem Motto „Van & Vino“ zieht es uns im Sommer 2022 nach Spanien und Portugal. Mit unserem Van Toni haben wir unser Bett stets dabei und freuen uns, Südeuropa und seine Weinregionen zu erkunden.
Was wäre euer Tipp für jemanden, der:die überlegt, ein Sabbatical zu machen, sich aber nicht so richtig traut?
Schritt für Schritt. Den ersten Schritt wagen. Zurückkehren kann man jeder Zeit. Plant nicht gleich die 24-monatige Reise, sondern beginnt mit einem Monat. Fragt den:die Arbeitgeber:in, ob Sonderurlaub möglich ist, um ein paar Wochen zu reisen. Seid mutig.
Über Anna & Sven vom Blog Expedition Lieblingsorte
Wir sind Anna und Sven und in der schönsten Stadt der Welt, der Hansestadt Hamburg, geboren und aufgewachsen. Die Reiselust packte uns spätestens während unserer Hochzeitsreise 2010 nach Hawaii und Fiji. Zurück in Hamburg war schnell klar, dass Reisen bald unser Leben bestimmen sollte. Ein Ende des Fernwehs ist nicht in Sicht. Wer mit uns reisen möchte, kann gerne mal in auf unserm Reiseblog „Expedition Lieblingsorte“ vorbeischauen..
Beruflich gehen wir Jobs in Marketing und Einkauf nach und füllen Tag für Tag weiter unsere Reisekasse. Wenn wir nicht gerade unterwegs sind, genießen wir emotionale Stunden beim HSV oder genießen mit Freund:innen ein leckeres Glas Wein.
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- #13 – mit Constance: als vierköpfige Familie 13 Monate auf Weltreise
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- #10 – mit Steffi aus der Schweiz: ein Jahr Weltreise als Paar
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