Sabbatical-Interview mit Constance #13: als vierköpfige Familie 13 Monate auf Weltreise

Ein gutes Jahr waren Constance und Jürgen mit ihren achtjährigen Zwillingen Noah und Liam auf Weltreise. Als Familie wollten sie die Welt entdecken, das Leben erkunden und in andere Landschaften, Sprachen und Kulturen eintauchen. Dafür entschieden haben sie sich erst 15 Monate vorher. Vielmehr war es Constances lang gehegter Traum von einer Weltreise, der ganz laut beschlossen hat: Irgendwann ist jetzt.

Was Jürgens Arbeitgeber und die Schule der Kinder zur Entscheidung gesagt haben, ob das Homeschooling in der Familie funktioniert hat und wie die Reise alle Beteiligten verändert hat, erzählt Constance heute im Interview. Natürlich gibt es auch ganz viele schöne Reisemomente, Erkenntnisse, tolle Fotos und Insights vom Weltreisen als Familie. Viel Spaß beim Lesen!

Kurzprofil 13 Monate Weltreise als Familie
Reisemotto: Gemeinsam.frei.sein (auf → YouTube + → Instagram)
Reiseziele: Asien, Afrika, Karibik, Mittel- und Südamerika
Dauer: 13 Monate
von … bis: 6.2023-7.2024
Reiseart: als Familie
Reisetyp: Backpacker bis Flashpacker
Koffer oder Rucksack: Rucksack
Gesamtbudget für euch als vierköpfige Familie: 80.000 Euro
Monatsbudget für euch als vierköpfige Familie: 6.000 Euro +/-
Impfungen: Alle für unseren Fall empfohlenen Impfungen des Tropeninstitutes
Jobs: Jürgen als Angestellter Sabbatical; ich als Selbstständige Auszeit
Schule: Beurlaubung für 1 Jahr
Wohnung: Untervermietung war leider nicht möglich, stand demnach leer
Aus Deutschland abgemeldet: nein
Versicherungen: Auslandsreisekrankenversicherung

Warum habt ihr euch für die Auszeit entschieden und wie habt ihr die Kids ins Boot geholt?

Bei bestee Laune in Bhaktapur in Nepal
Bei bester Laune in Bhaktapur in Nepal

Ich denke, es war eine Entscheidung aus meinem Inneren heraus für das Leben. Ich spürte schon immer den Ruf in die Freiheit, den Wunsch, ohne äußere Vorgaben eine Zeit lang die Welt und das Leben zu erforschen.

Ich denke, dass dieser Freiheitsruf in mir mit der Zeit immer lauter wurde und irgendwann konnte ich ihn nicht mehr überhören. Ich konnte nicht mehr einfach die Füße stillhalten: morgens Butterbrote schmieren, dann ins Office gehen und am Abend die Schultaschen für den nächsten Tag packen ohne zu fragen: „Was ist da noch?“

Und mit dieser klaren Fragestellung, der Neugierde und dem offenen Forschergeist in mir konnte ich meinen Partner Jürgen schnell überzeugen. Er hatte in sich den gleichen Ruf und innerhalb weniger Gespräche war klar: Wir müssen ihm gemeinsam nachgehen! Wir müssen uns die Zeit nehmen zu fragen, wer wir wirklich sind. Und zwar außerhalb unserer Rollen, Strukturen und altbekannten Muster.

Auf dem Cotopaxi in Ecuador
Auf dem Cotopaxi in Ecuador

Und unsere Kinder sind per se so unfassbar neugierig und abenteuerlustig, dass es auch da keinen Widerstand gab. Also stand fest: Wir gehen gemeinsam auf Weltreise.

Hattet ihr ein Reisemotto oder eine Mission?

Ja, hatten wir. Gemeinsam.Frei.Sein.

Puyo Ecuador
What a view – in Puyo Ecuador

Und wir haben die Bedeutung jedes einzelnen Begriffes versucht zu erforschen: Was heisst es GEMEINSAM zu reisen? Was bedeutet es eigentlich FREI zu sein? Und was passiert, wenn wir einmal wirklich nur SEIN können? (Später mehr dazu…)

Was haben Jürgen und du mit euren Jobs gemacht?

Das ist relativ unspektakulär und super unproblematisch gelaufen: Ich habe mein Business für das Jahr auf Eis gelegt. Jürgens Arbeitgeber hat sehr offen und kooperativ reagiert und unsere Entscheidung wurde von seiner Vorgesetzten uneingeschränkt unterstützt. Wir hatten also perfekte Voraussetzungen und ein sehr unterstützendes Umfeld – auch seitens der Schule.

Die war nämlich zunächst die größte Befürchtung, die wir hatten. Die Lehrenden und die Schulleitung haben zu unserer Überraschung aber ziemlich entspannt reagiert und waren total offen. Die Kids wurden ein Jahr beurlaubt unter der Bedingung, dass wir versuchen, ihnen den Stoff unterwegs eigenständig zu vermitteln. Das hat dann zum Teil sehr gut funktioniert – insbesondere, wenn wir länger an einem Ort geblieben sind.

Mount Bromo, Java, Indonesien
Magischer Mount Bromo auf Java in Indonesien

Wichtiger als der reine Schulstoff war für uns, dass die Kinder selbst entscheiden können, wann, was und wie sie lernen möchten und dass sie dann auch die Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen.
Diese Freiheit haben wir ganz bewusst gegeben und sie hat bei beiden Kindern zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen geführt. Einer der Jungs hat nahtlos wieder in seiner alten Klasse angeknüpft, der andere wurde anschließend ein Jahr zurückgesetzt. Beide sind im Nachhinein völlig happy mit ihrer Entscheidung (obwohl es selbstverständlich ganz und gar nicht einfach ist, sich ein Jahr zurückstellen zu lassen).

Was habt ihr für die Reise bezahlt? Wie habt ihr sie finanziert?

Wir haben die Reise aus Rücklagen finanziert. Kostenpunkt war etwa 80.000 Euro.

Wie war eure Reiseroute für 13 Monate Weltreise?

Dashain-Fest im Himalaja, Nepal
Familie Grunewald-Petschke beim Dashain-Fest im Himalaja in Nepal

Wir waren von Ende Juni 2023 bis Ende Juli 2024 unterwegs, sodass die Kinder wieder ins neue Schuljahr einsteigen konnten. In der Zeit haben wir diese Länder bereist:

  1. Indonesien (6 Wochen etwa)
  2. Thailand (1 Monat)
  3. Nepal (1 Monate)
  4. Indien (2 Wochen)
  5. Sri Lanka (1,5 Monate)
  6. Südafrika über Weihnachten & Silvester (1 Monat)
  7. Karibik-Kreuzfahrt mit der Aida (0,5 Monate)
  8. Kolumbien (2 Wochen)
  9. Panama (2 Wochen)
  10. Costa Rica (1 Monat)
  11. Ecuador (1 Monate)
  12. San Fransisco, USA (3 Tage)
  13. Japan (0,5 Monate)
  14. Rückkehr nach Thailand (2 Monate)

Auf → YouTube und → Instagram kann man einige Episoden der Reise sehen.

Wie habt ihr als Familie eure Reiseroute gefunden?

Die Reiseroute hat sich nach und nach ergeben! Es ging uns nur zum Teil darum, bestimmte Sehenswürdigkeiten zu entdecken oder eine Liste abzuarbeiten. Ein paar Fixpunkte, wie Nepal und Sri Lanka gab es aber natürlich schon.

Darüber hinaus war uns wichtig, Vorgaben und langfristige Pläne eher zu vermeiden und mit dem Fluss des Lebens zu fließen. Wir sind in Indonesien gestartet haben dann einfach immer wieder geschaut, wohin es uns zieht, was wir alle erleben möchten und natürlich wohin wir günstige Flüge finden

Was war für jeden von euch ein Erlebnis/Ort, die starken Eindruck hinterlassen haben?

Oh es gab so viele…. Wir Vier als Familie sind einmal um diesen faszinierenden Planeten gereist. 4 Kontinente. 13 Länder. Unzählige Unterkünfte, Transportmittel und Begegnungen mit wundervollen, inspirierenden Menschen.

Beim Mentawai tribe, Sumatra, Indonesien
Eintauchen in andere Kulturen war ein Ziel ihrer Weltreise, hier beim Mentawai Tribe auf Sumatra in Indonesien

Wir sind in Zentralamerika mit Haien getaucht, haben mit Fledermäusen und Babywildschweinen unter dem unendlichen Sternenhimmel Sumatras geschlafen, durften im ecuadorianischen Dschungel mit Urvölkern Pflanzenmedizin herstellen, den Mount Everest von oben bestaunen und auf dem heiligen Berg Koyasan mit den buddhistischen Mönchen wild trommeln.

Jedes einzelne Erlebnis brachte Unmengen an Impulsen mit sich und hat uns oft für den nächsten Move inspiriert. Ich denke, das beeindruckendste war wohl die Dichte an außergewöhnlichen Erlebnissen in einer solch kurzen Zeit. Das war ein grandioser Wachstumsbeschleuniger für uns alle.

Was war für euch als Familie die größte Herausforderung auf der Reise?

Taj Mahal, Indien
Am Taj Mahal in Indien

Die größten Herausforderungen entstanden vor allem durch die altersgemäß unterschiedlichen Bedürfnisse. Der elterliche Wunsch nach Ruhe und Entspannung z.B. während die Kids abends um elf noch eben ein Fußballturnier im Bungalow starten wollen.

Der Wunsch nach exotischen Nahrungsmitteln unsererseits und der tägliche Schrei nach Pommes und Chicken Nuggets seitens der Kids. Aber auch in der Partnerschaft: Wir alle waren so eng zusammen, dass wir unseren Konflikten nicht davonrennen konnten. Und das war gleichzeitig auch das größte Geschenk.

Wie gesagt wollten wir ja „gemeinsam.frei.sein.“ und das erfordert eben auch den Mut, sich die eigenen Baustellen genau anzuschauen. Das war im Übrigen auch eine der Absichten, die wir mit der Reise verfolgten: uns wirklich, wirklich miteinander zu verbinden: uns zu konfrontieren, zu erkunden, wer die andere Person noch ist – außerhalb jeglicher Konventionen und Strukturen. Und ja: es hat funktioniert. Wir sind uns begegnet und durften wachsen. Gemeinsam und jede:r für sich. Das hat uns unfassbar zusammen geschweißt, als Familie und als Paar.

Hattet ihr oder die Kids auch mal Heimweh?

Quito, Ecuador
Mit Lama in Ecuadors Hauptstadt Quito

Heimweh gab es ab und an bei den Kids, aber überraschenderweise sehr selten und dann auch nur wenig. Wir Erwachsenen hatten tatsächlich nicht ein einziges Mal wirklich Heimweh. Manchmal wünschten wir alle uns lediglich unser eigenes Bett und eine saubere, warme Dusche.

Was waren deine intensivsten Learnings auf und aus der Reise?

Ich habe mich in diesen 13 Monaten auf eine ganz neue, unvoreingenommene Weise erfahren dürfen. Ich habe Bereiche meines Selbst erkundet, die ich vorher nicht für wirklich gehalten hätte. Ich habe Räume kreieren dürfen, in denen ich sicher genug war, um mir selbst in aller Aufrichtigkeit zu begegnen. Manchmal hatte ich Angst. Manchmal war ich gelangweilt. Und manchmal wollte ich nicht mehr weitermachen. Aber immer… immer habe ich ein Stück mehr von mir selbst erkennen dürfen.

Kuala Lumpur, Malaysia
Vorm Sultan Abdul Samad Gebäude in Kuala Lumpur, Malaysia

Wenn ich jetzt zurückblicke auf dieses fantastische Jahr, dann gibt es eine ganz große Erkenntnis, die ich mit zurückbringen in unseren Alltag hier in Deutschland:

 WENN wir unser ganzes Leben so gestalten wollen, dass es uns und unseren Werten wirklich entspricht, DANN müssen wir bereit sein, alte Strukturen zu verlassen und endlich in eine neue Richtung zu denken. 

Was war das größte Geschenk, dass die Reise Jürgen und dir als Paar und euch vieren als Familie gemacht hat?

Mit Jürgen fühle ich mich tiefer und bedingungsloser verbunden. Wir haben uns selbst als Individuen und gegenseitig als Paar so direkt und intensiv erfahren wie nie zuvor. Wir sind so unfassbar dicht an unsere Grenzen gekommen und haben geflucht, gestritten und geweint. Und das war gut so! Denn das hat uns ermöglicht, uns wirklich-wirklich zu erkennen. Uns gegenseitig zu sehen, zu akzeptieren und den Wert im Anderen zu schätzen. Die Reise hat unsere Beziehung sozusagen auf’s Next Level befördert.

Mitad del Mundo, Ecuador
Am Äquatormonument „Mitad del Mundo“ (Mitte der Welt) in San Antonio de Pichincha in der ecuadorianischen Provinz Pichincha

Für die Familie hat es vor allem eins gebracht: Offenheit gegenüber den Dingen, die das Leben uns schenkt. Egal, ob es erst einmal gut oder schlecht scheint. Wir bleiben offen. Wir versuchen zu verstehen und gemeinsam Lösungen zu finden. Nicht mehr und nicht weniger.

Was wären eure Tipps für andere Familien, die überlegen, ein Sabbatical zu machen, sich aber noch nicht so richtig trauen?

Das Herausgehen aus altbekannten Strukturen und Sicherheitsnetzen braucht immer Mut, das ist klar. Und es braucht finanzielle Ressourcen, das ist auch klar. Was es aber nicht braucht, ist Angst vor dem Unbekannten. Aus meiner Sicht birgt das Unbekannte – oder besser das Abenteuer – die größte Chance auf ein authentisches und selbstbestimmtes Leben. Egal, ob es eine Weltreise ist oder die entschiedene Erkundung unserer inneren Welt.

So platt es vielleicht klingen mag: Aber wir leben in unserem irdischen Dasein so voraussichtlich nur einmal. Und dieses Dasein ist zeitlich sehr, sehr begrenzt. Wieso sollten wir nicht versuchen, dieses Leben – gerade auch als Familie – genau so zu gestalten, wie es uns und unseren Träumen wirklich entspricht?!

Es gibt nur einen konkreten Tipp und der heißt MACHEN!

Über Constance

Constance Grundewald-Petschke
Constance – Weltreisende, Mama und Achtsamkeits-Coach

Constance ist Kultur- und Sprachwissenschaftlerin, Achtsamkeits- und Meditationslehrende und Kommunikationstrainerin. Mit ihrem Soul-Business → achtsam.Familie.sein unterstützt und bestärkt sie Mütter und Familien darin, ihren eigenen, authentischen Lebensweg zu finden und ein Miteinander zu gestalten, das ihnen und ihren Werten wirklich entspricht.

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