Sabbatical-Interview Julia & Timo #5: im eigenen Geländewagen durchs südliche Afrika

Julia und Timo haben sich vor vielen Jahren zufällig in Südafrika kennengelernt. Seither hat sie die Faszination für den afrikanischen Kontinent und der Wunsch, mit viel Zeit gemeinsam zurückzukehren, nicht mehr losgelassen. 2018 starteten sie dann tatsächlich in die konkrete Planung, verhandelten hart mit ihren Vorgesetzten und kauften sich ein Offroad-Auto, das sie Dobby tauften und in Eigenregie zu ihrer mobilen Heimat ausbauten. Im Herbst 2020 sollte es losgehen. Dann kam Corona und würfelte die Pläne des Paares gehörig durcheinander. Im Interview berichten sie, wie sie es trotzdem geschafft haben, ihren Traum zu verwirklichen und mit Dobby während Corona das südliche Afrika zu entdecken.

Kurzprofil Julias & Timos Sabbatical
  • Reisemotto: Wage dein Leben und verlasse dein Haus.
  • Reiseziele: Südafrika, Botswana und Namibia
  • Dauer: ½ Jahr
  • von … bis: Herbst 2020 bis Sommer 2021
  • Reiseart: Paar
  • Reisetyp: Offroad-Camper mit eigenem Auto
  • Fahrzeug: Nissan Patrol, genannt „Dobby“
  • Koffer oder Rucksack: Schränke und Taschen im Auto
  • Tagebudget als Paar: 100-120 Euro/Tag
  • Impfungen: Gelbfieber, Hepatitis, Typhus, Cholera, Gesamtauffrischung
  • Job: Urlaub /Überstunden bzw. Sabbaticalvertrag
  • Wohnung: untervermietet
  • Aus Deutschland abgemeldet: nein
  • Versicherungen: Hanse Merkur Travel Reisekrankenversicherung, Wohnmobil-Inventarversicherung +Vollkasko
Auf den Road2Africa: Julia und Timo
Auf den Road2Africa: Julia und Timo

Warum habt ihr euch für ein Sabbatical entschieden? Gab es einen Auslöser? Wie schwer fiel euch die Entscheidung?

Wir waren beide 2010 anlässlich eines Auslandssemesters zufällig in demselben Ort in Südafrika. Dort haben wir uns kennengelernt. Die Verbindung hierhin blieb über die Jahre erhalten. Treibende Kraft für das Sabbatical war Julia: Eine „Weltreise“ hat sie schon länger fasziniert. Über die vergangenen Jahre entwickelte sich für sie dann der Lebenstraum von Deutschland aus den afrikanischen Kontinent zu befahren und in die Kulturen einzutauchen. Timo ist großer Offroad-Autofan und konnte sich für diese Art der Reise begeistern. Den letzten motivierenden Kick bekamen wir, nachdem wir verschiedene Reise-Dokumentationen gesehen haben.

Schwer fiel die endgültige Entscheidung aber trotzdem: die Arbeitgeber:innen mussten überzeugt werden, auf einer langen Durststrecke der Vorbereitung durfte der Mut nicht verloren gehen und das auch noch während der unvorhergesehenen Corona-Pandemie, die die Reise komplett verändert und fast zum Scheitern verurteilt hatte.

Was habt ihr mit euren Jobs gemacht? Wann habt ihr es es euren Arbeitgeber:innen gesagt und wie haben sie reagiert?

Timos Arbeitgeber bietet Sabbatical-Verträge an: hier war die Überzeugung des Chefs die größte Hürde. Vertraglich war dann aber alles schnell geregelt.

Julias Arbeitgeberin bietet keine entsprechenden Verträge an und hat sich mit einer Entscheidung zunächst schwer getan. Am Ende konnte der ursprüngliche, sowie ein zeitlich reduzierter Plan erst nicht umgesetzt werden. Mit Jahresurlaub, Überstunden und unbezahlten Sonderurlaub konnte eine gewisse Zeit am Ende dann aber doch zusammengespart werden.

Unbeschreibliche schöne Landschaften
Sie fahren jeden Tag durch unbeschreiblich schöne Landschaften

Was habt ihr mit eurer Wohnung gemacht?

Unsere Mietwohnung haben wir vollmöbliert untervermietet. So konnten wir unsere Möbel in der Wohnung lassen. Persönliches haben wir derweil zwischengelagert.

Was habt ihr mit der Kranken- und Rentenversicherung in Deutschland gemacht?

Die Kranken- und Rentenversicherung haben wir beibehalten, da wir beide ja bei unseren Arbeitgeber:innen beschäftigt geblieben sind und auch weiterhin in Deutschland beschäftigt waren.

Lagerfeuer, Dobby und der Sonnenuntergang über der Steppe
Lagerfeuer, Dobby und der Sonnenuntergang über der Steppe

Butter bei die Fische: Was habt ihr für die Reise bezahlt? Was waren die größten Kostenpunkte?

Den Um-und Ausbau des Autos in ein Campingzuhause haben wir komplett selbst gemacht. Das klingt zunächst vergleichsweise günstig, trotzdem waren das Campingequipment, wie Dachzelt oder Markise, die Ersatzteile, das Werkzeug, die Miete der Werkstatthalle, die „Auslands“-Papiere für das Auto (Carnet de Passage), die Verschiffung und unsere Flüge nach Afrika und unterwegs natürlich der Sprit der größte Kostenpunkt entlang der Reise.

Dafür hatten wir dann unser ganz persönliches Zuhause auf vier Rädern dabei.

Auf der Reiseroute war es sehr davon abhängig wie und wo wir mit dem Auto stehen und übernachten wollten, ob wir essen gehen konnten oder selbst gekocht haben. Nationalparks und das Camping sind mitunter hochpreisig, besonders in Südafrika oder eben Botswana. Hier kann das Camping pro Nacht schonmal 50 US-Dollar pro Person kosten.

Fleißig gespart oder Sparkonto geplündert – wie habt ihr die Reise finanziert?

Wir haben vorab gespart und wussten z.B. wieviel Kaution für das Carnet de Passage hinterlegt werden muss und wie teuer das Basisfahrzeug sein darf. Die eigentlichen Reisekosten konnten wir mit unserem laufenden Einkommen + Ersparten größtenteils decken. Entsprechend unserem Budget haben wir die Route dann angepasst. Gleichzeitig war klar, dass wir kein Geld für z.B. superteure Hotels im Okavango Delta oder in Kapstadt haben würden.

Den Helikopterflug über das Okavango Delta haben wir uns dann aber trotzdem nicht nehmen lassen J

Löwen lassen sich durch kaum etwas erschüttern und geduldig fotografieren
Löwen lassen sich durch kaum etwas erschüttern und geduldig fotografieren
Abdrücke einer Löwentatze und daneben eine Menschenhand
Abdruck einer Löwentatze und daneben eine Menschenhand
Löwendame räkelt sich am Wegesrand
Keine falsche Scheu: Löwendame räkelt sich am Wegesrand

Wie habt ihr es geschafft, Kosten zuhause weitestgehend zu reduzieren? Worauf muss man dabei achten?

Wir haben soweit möglich alle finanziellen Verpflichtungen, wie Abos, Bibliotheks- oder Kurs- und Clubbeiträge gekündigt, die wir nicht mehr unbedingt behalten wollten. Trotz dem großen Vorbereitungsstress war das bereits im Vorfeld sehr angenehm den übermäßigen Ballast loszuwerden. Unser normales Auto haben wir abgemeldet und in unsere Werkstatt gestellt. Julia hatte zudem einen flexiblen Prepaid-Handytarif, den sie für die Dauer der Reise ohne laufende Kosten beibehielt. Die Wohnung war kostendeckend untervermietet, so konnten wir unsere vier Wände behalten, mussten sie aber nicht während unserer Reise weiterfinanzieren. Die üblichen Versicherungen, oder eben Krankenkassenbeiträge mussten wir aber weiterhin zahlen.

Vorlaufzeit: Wie lange habt ihr euer Sabbatical geplant? Wo habt ihr gute Infos für euer Sabbatical gefunden?

Nach mehreren Jahren der eher zaghaften Überlegung, ob wir eine Reise starten wollen, haben wir dann die konkrete Planung ca. zwei Jahre vor Reisebeginn gestartet. Rund eineinhalb Jahre vorher wurde das Reisefahrzeug gekauft und der Ausbau gestartet. Während des gesamten letzten Jahres vor Reisebeginn war nahezu unsere gesamte Freizeit dann für Ausbau, die Vorbereitung und Planung reserviert. Das war eine sehr intensive Zeit, und auch wenn wir unser Ziel klar vor Augen hatten, sehr kräftezehrend.

Hilfreiche reiserelevante Informationen haben wir hierbei im Austausch mit anderen Reisenden gefunden, also über Reise – Austauschgruppen in sozialen Medien, Instagram-Profilen, Foren oder Reisevorträgen.

Das kann aber Fluch und Segen zugleich sein: Viele Reisetypen gepaart mit unterschiedlichen Meinungen und vielen Erfahrungen können einen auch zweifeln lassen. Da mussten wir auch erst unseren Weg finden.

Julia und Timo vor der untergehenden Sonne
Julia und Timo vor der untergehenden Sonne

Was war für euch die größte Herausforderung bei der Planung der Reise?

Zunächst dachten wir, es sei schwierig unseren Freund:innen und Familien von dem ursprünglichen Plan einer Reise entlang der abenteuerlichen Westküste Afrikas zu berichten, aber dann kam im März 2020 die Corona-Pandemie. Das veränderte alles: Wir steckten mitten in der Vorbereitung, es war schon so vieles organisiert, gekauft und geplant und wir hatten keine Ahnung zu dem Zeitpunkt was auf uns warten wird. Viele Monate war nicht klar, ob wir überhaupt irgendwohin reisen konnten und ob wir es aufgrund der Randbedingungen wollten.

Wie habt ihr eure Pläne dann aufgrund von Corona angepasst?

Wir haben erstmal so weitergemacht, als ob wir im Herbst 2020 losfahren könnten. Nur eine Standheizung hatten wir noch eingebaut, nicht wissend ob wir den Winter in der Kälte oder unter der Sonne verbringen werden.

Die Landschaften und das Licht sind einfach unvergleichlich
Die Landschaften und das Licht sind einfach unvergleichlich

Was habt ihr tatsächlich vor der Reise gebucht? Wie konkret habt ihr im Voraus die Reiseroute festgelegt?

Wir mussten unfassbar flexibel sein. Drei bis vier Wochen vor Abfahrt bzw. Abflug entschieden wir uns für eine Verschiffung des Autos nach Südafrika. Zwei Tage bevor das Auto auf das Containerschiff geladen werden sollte, kam die Information, dass wir als Deutsche wegen aktualisierten Einreiseregelungen kurzfristig nicht mehr nach Südafrika dürfen. Diese drei bis vier Wochen vor Abflug waren ein großes, abenteuerliches Kapitel für sich. Am Ende konnten wir aber einen vielfach abgeänderten Plan auch realisieren.

Unsere Flüge haben wir dann erst drei Tage vor Abflug buchen können. Reiseroute: ungewiss.

Julia auf einer Sanddüne
Julia auf einer Sanddüne

Was gehört auf jeden Fall in den Weltreisekoffer?

Ein Tagebuch, und das obwohl wir beide keine großen Schreiber sind. Man vergisst aber so schnell tolle Erlebnisse. Die sollte man versuchen festzuhalten.

Eine Kopflampe. Die hat uns mitunter wirklich das Leben gerettet (Skorpione!) und ist super praktisch.

Wie war eure Reiseroute?

Wir haben Namibia, Südafrika und Botswana bereist. Dabei waren wir in den drei Ländern kreuz und quer unterwegs.

Zebras am Wegesrand
Zebras am Wegesrand

Was habt ihr gegen Reisemüdigkeit oder Heimweh gemacht?

Bei Reisemüdigkeit mussten wir uns etwas gönnen. Einen Restaurantbesuch oder doch mal ein Hotelzimmer. Heimweh haben wir mit Videocalls mit Freund:innen wieder eingefangen.

Was war das Schlimmste, das euch auf der Reise passiert ist? Wie konntet ihr die Situation lösen?

Wir hatten viele Situationen, in denen irgendetwas schief gelaufen ist, Kleinigkeiten aber auch Gravierendes.

Rückblickend hätten wir uns hier nicht zu viele Sorgen machen sollen, sondern den Moment genießen und so akzeptieren.

Julia und Timo unterwegs
Julia und Timo unterwegs

Was waren eure schönsten Erlebnisse? Welche Träume habt ihr euch erfüllt?

Vor und auch während der Reise sagten uns Freund:innen wie Fremde, dass das alles nicht funktionieren wird. Dass es nicht klappen wird, dass es nicht geht …

Dass wir dann los fahren konnten, war ein wahnsinniges Gefühl.

Während der Reise erkannten wir dann den überwältigenden Schatz, der sich für uns öffnete. Denn trotz vieler Restriktionen und Herausforderungen konnten wir z.B. die Natur Botswanas oder Namibias ohne den üblichen Tourist:innenansturm genießen. Wir waren ganz häufig alleine, in Unterkünften oder z.B. über Tage in der Kalahari-Wüste. Hier war einfach niemand.

Dobby steht allein vor einer Felswand
Geländewagen Dobby steht allein vor einer Felswand: mit überfüllten Plätzen hatten Julia und Timo wenig zu tun

Wie war das Nachhausekommen für euch?

Sehr, sehr schwer.

Julia musste früher als Timo zurück, durfte wegen Ausgangssperre und Corona-Maßnahmen am Flughafen nicht abgeholt werden. Der Empfang war also kalt (nicht nur hinsichtlich der Temperatur), ungewohnt und der Start in Deutschland sehr einsam. Denn es startete sofort eine vorsorgliche Reiserückkehrer-Pflicht-Quarantäne.

Timo hat es leichter weggesteckt, seine Rückkehr lag im aufblühenden Sommer und viele Regeln waren bereits wieder gelockert worden.

Scheinbar unendlicher Steg, mitten drauf: Julia und Timo
Scheinbar unendlicher Steg, mitten drauf: Julia und Timo

Was hat sich nach dem Sabbatical verändert?

Viel und wenig zu gleich.

Wir haben unsere alten Jobs wieder, in die wir uns sehr gut eingefunden haben. Die Wohnung war auch unverändert, alles fühlte sich an wie „back to normal“.

Emotional hat sich aber viel in uns bewegt. Wir haben einen Blick von außen auf Deutschland werfen können und die Schätze wahrer Reise-„Freiheit“ und Einsamkeit genossen. Die Erfahrung kann uns niemand nehmen, und das für eine so lange Reise als Paar!

Was wäre euer Tipp für jemanden, der:die überlegt, ein Sabbatical zu machen, sich aber vielleicht noch nicht so richtig traut?

Mach’s!

All deine Sorgen und Bedenken im Voraus sind völlig okay und sicher auch normal. Aber wenn man erstmal unterwegs ist, lösen sich viele Hürden einfach auf.

Man wächst von Tag zu Tag, und das ist ein tolles Gefühl!

Über Julia & Timo von Roads2Africa

Julia und Timo vor ihrem Geländewagen in Afrika
Julia und Timo vor ihrem Geländewagen in Afrika

 Julia und Timo leben in Koblenz. Sie haben ihren Nissan Patrol, getauft „Dobby“, zu ihrer zweiten Wohnung umgebaut und das Leben im Auto lieben gelernt.

Andere Reisende für Ihren Traum zu motivieren, macht Ihnen seit der Rückkehr besonders Spaß. Wer Inspirationen von ihnen, Tipps oder Motivierendes braucht, kann sie gerne über ihr Instagramprofil roads2africa kontaktieren; alternativ über roads2africa (at) web.de

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