Sabbatical-Interview mit Uta #9: zweimal Work & Travel und ein Buch

Utas zwei Auszeiten haben insgesamt 3 Jahre und 9 Monate gedauert. Sie ist auf dem Landweg nach Neuseeland gereist, um dort und später in Kanada Work & Travel zu machen. Auch wenn sie nicht immer nur gute Erfahrungen damit gemacht hat, ist sie begeisterte Couchsurferin. Über die Fallstricke der Heimkehr vom Reisen hat sie Geschichten gesammelt und daraus ein wunderbares Buch gemacht. Im Interview verrät sie, wie die anderen Länder und Kulturen ihr Leben verändert haben.

Kurzprofil zu Utas Sabbaticals
  • Reiseziele: sechsmonatige Reise durch Russland, die Mongolei, China, Südostasien, Australien + ein Jahr und drei Monate Working Holiday in Neuseeland + erneuter Aufbruch und Ausbruch: Working Holiday in Kanada und Arbeit als freie Journalistin im zweitgrößten Land der Erde
  • Blog: Oh wie schön ist Kanada
  • Dauer: gesamt 3 Jahre + 9 Monate
  • von … bis: 09.2014-04.2016 + 01.2019-2.2021
  • Reiseart: die erste Reise als Paar, die zweite solo
  • Reisetyp: Backpackerin
  • Gesamtbudget pro Person: ca. 10.000 Euro für 6 Monate Russland, Mongolei, China, Südostasien, Australien
  • Impfungen: Tollwut, Japanische Enzephalitis, Typhus UND: Auffrischungen von Tetanus-/-Diphterie-/Polio-/ Hepatitis A+B
  • Job: gekündigt
  • Wohnung: untervermietet!
  • Aus Deutschland abgemeldet: ja/nein beim ersten Mal ja glaub ich, beim zweiten Mal nein wegen der Unfallversicherung
  • Versicherungen: jeweils Auslandskranken, Haftpflicht (hatte ich aber auch schon davor – ist superwichtig! Beim 2. inkl. Drohnenschäden), Unfall

Wann und wie lang waren deine Sabbaticals und was hast du – ganz grob – darin gemacht?

Sabbatical Nr.1:  1 Jahr 9 Monate nach und in Neuseeland

gereist, gearbeitet, geschwommen, geliebt, gelebt, am Lagerfeuer gesessen, viele Menschen getroffen, viel Couchsurfing gemacht, gelesen, gekocht, gegessen von der Hand in den Mund, Austern zum Beispiel: direkt vom Felsen, Kartoffeln: direkt aus dem Acker, in den Topf, in den Magen, Pflaumen: direkt vom Free-your-Stuff-Baum in den Mund

In den ersten 6 Monaten bin ich vor allem auf dem Landweg nach Neuseeland gereist, gemeinsam mit meinem damaligen Partner.  Mit der Transibirischen Eisenbahn, mit Bussen, Mietwagen und zwei Kurzstreckenflügen ging es durch Russland, die Mongolei, China, Südostasien und Australien.

Uta mit dem Fahrrad auf Great Barrier Island in Neuseeland
Unterwegs mit Angel und Fahrrad: Uta auf Great Barrier Island in Neuseeland, © Jan Marosi

Anschließenden habe ich solo 15 Monate mit dem Working-Holiday-Visum in Neuseeland verbracht. Der Hintergrund war der, dass man ja nur bis zum 30. Lebensjahr ein Working Holiday machen kann. Da dachte ich mir, das nehme jetzt noch mit, bevor ich dann 40 Jahre lang arbeite. Blut geleckt, vom Reisefieber gepackt, war ich erst danach.

In Neuseeland war ich für ein paar Monate sesshaft und habe gearbeitet (gekellnert, Weinlese), auf Waiheke Island, einer kleinen Insel im Hauraki Gulf vor Auckland mit rund 9.000 Einwohnern, die es mir angetan hatte.

Lämmer im Abendlicht auf Waiheke Island in Neuseeland
Lämmer im Abendlicht auf Waiheke Island in Neuseeland, © Jan Marosi

Mit dem eigenen Auto bin ich einige Monate auf der Nordinsel rumgereist. Es folgten drei Monate Farmarbeit auf einer Kiwiplantage bei Nelson, dann Erkundung der Südinsel im Wagen (viel Camping ,schlafen im Wagen). Gegen Ende habe ich drei Wochen auf einem Weingut gejobbt. Meine letzte Reise-Etappe brachte mich mit dem Auto zurück nach Waiheke Island – meinem Herzensort, wo ich noch zehn Tage Urlaub gemacht habe, bevor ich das Land verließ.

Sabbatical Nr. 2: zwei Jahre Kanada

gereist, geschrieben, gearbeitet, viele Locals getroffen, Couchsurfing gemacht, gelebt

Uta im Truck bei der Farmarbeit auf Saltspring Island in Kanada
Uta im Truck bei der Farmarbeit auf Saltspring Island in Kanada, ©Uta Nabert privat

Auch wenn meine Anreise diesmal kürzer war, war sie nicht weniger aufregend. Diesmal bin ich direkt allein aufgebrochen: mit dem Containerschiff von Hamburg nach Halifax! Es folgten Aufenthalte in Halifax und auf Prince Edward Island,

Mit dem Bus ging es dann weiter in die großen Städte von Kanadas Osten,. Danach einige Wochen Aufenthalt in Montréal. Mit dem Bus zurück auf eine Ahornfarm zur Recherche für eine Reportage. Außerdem habe ich mehrere Wochen Wwoofing auf einer Farm zurück auf Prince Edward Island gemacht. Mit dem legendären Zug „Canadian“ ging es dann bis nach Toronto: Besuch der Niagara-Fälle und der berühmten kanadischen Eisweingüter.

Trauben auf dem Eisweingut Inniskillin in Kanada,
Trauben auf dem Eisweingut Inniskillin in Kanada, © Uta Nabert privat

Weiterfahrt mit dem Canadian nach Vancouver. Auf Vancouver Island habe ich mir einen Job als Kassiererin in einem Tante-Emma-Laden in Victoria gesucht. Dort bin ich drei Monate geblieben.

Weiterreise nach Boston und New York, dann mit Bus und Bahn in die Welthaupstadt der Eisbären Churchill, Manitoba (Kanada) im hohen Norden. Rückreise mit dem Candian in den Westen, nach Saltsrping Island. Dort habe ich neun Monate auf einer Farm gelebt und gearbeitet.

Work & Travel

Du hast inzwischen schon zweimal Work & Travel gemacht: ein Jahr in Neuseeland und zwei ja Jahre in Kanada. Was gefällt dir so gut daran?

Es ist eine relativ sichere Art zu reisen. Man muss sich nicht drauf verlassen, dass das Ersparte bis zum Schluss reicht, man kann jederzeit in dem Gastland arbeiten. Und, auch ganz wichtig: Es ist eine großartige Weise, in das Land einzutauchen, mit der Bevölkerung zu verschmelzen, ein Teil des Alltags im Gastland zu werden, so dass es auf einmal wie Heimat ist. Durch die Arbeit lernt man Einheimische kennen, muss ihre Sprache sprechen, mit ihrem Geld umgehen, wird Kundin bei einer einheimischen Bank, man bekommt eine Sozialversicherungsnummer, zahlt Steuern, ist einfach Teil der Gesellschaft dort.

Uta beim Trimmen von Kiwis in Neuseeland
Uta beim Trimmen von Kiwis in Neuseeland, © Jan Marosi

Was für Jobs hast du in der Zeit gemacht?

Kellnern, Weinlese, Hostelcleaning, Farming auf einer Kiwiplantage, Trimming (Ausgeizen) auf einem Weingut, Kassiererin in einem Tante-Emma-Laden, Eier sammeln, waschen, verpacken, Hühnerstall ausmisten, Steine von umgepflügten Feldern sammeln, 5.000 Setzlinge in die Erde bringen.

Was würdest du jemandem empfehlen, der:die auch überlegt, Work & Travel zu machen, empfehlen?

Mach es! Mach es auf jeden Fall!

Mach Dir eine To-do-Liste für Impfungen, Visa, Versicherungen, Technik-Kram (Adapter etc.) und arbeite sie Stück für Stück ab.

Wer nach Neuseeland, Australien, Kanada oder in die USA reist: Nimm nur das Nötigste mit, in diesen Ländern ist die Second-Hand-Kultur sehr ausgeprägt und in den entsprechenden Läden bekommst du Handtücher, T-Shirts, Seife etc. für ein paar Cent.

Couchsurfing

Du liebst es, auf Reisen Couchsurfing zu machen. Was gefällt dir so daran? Gab es auch mal gruselige Erlebnisse für dich beim Couchsurfing?

Naja, was soll ich sagen, siehe diesen Film (YouTube). Die Frau in dem lila Pulli bin ich.

ABER: Ich habe danach weiterhin Couchsurfing gemacht. Man trifft die tollsten Menschen, alle haben das gleiche Mindset. Bis auf Raphael, der kein richtiger Couchsurfer war, habe ich nur wundervolle Menschen kennen gelernt – und sogar zwei meiner Partner, lebenswichtige Menschen, bis heute. Unter anderem, wegen dem ich mein Buch „Wieder da und doch nicht hier“ geschrieben habe. Aber dazu später mehr.

Gastgeber Richard beim Couchsurfing in Halifax Kanada
Richard war einer der ersten Kanadier überhaupt, der mir begegnete, in einem Bastelgeschäft. Wir kamen ins Gespräch und der Schiffebauer nahm mich unter seine Fittiche. Als ich wegen eines Schneesturms in Halifax feststeckte, durfte ich bei ihm übernachten. ©Uta Nabert privat

Auch Couchsurfing hilft, viel stärker mit Land und Leuten in Berührung zu kommen und in die Kultur einzutauchen.

Alleine reisen als Frau

War es schwer für dich, dich alleine auf den Weg zu machen und alleine unterwegs zu sein? Was waren die Herausforderungen dabei? Aber was auch die schönsten Momente des Alleine-Reisens?

Das Mindset, die Angst vor der Reise allein war das Schlimmste: Gedanken wie: Ist es eine gute Idee, alleine als Frau auf einem Containerschiff zu reisen? etc.

Sternenhimmel über Neuseeland
Sternenhimmel über Neuseeland, ©Uta Nabert privat

Die schönsten Momente: All die vielen Menschen auf meinem Weg, die mir mit meinem Backpack halfen und mich immer bis zum Bus, zur Haltestelle, zum Bahnhof fuhren, damit ich nicht so schwer zu tragen habe.

Die Herausforderungen während der Reise alleine in Kanada waren nicht geschlechterspezifisch, eher so was wie Zug verpasst etc.

Was würdest du speziell Frauen empfehlen, die sich gerne alleine auf den Weg machen würden, sich aber nicht so recht trauen?

Pfefferspray einpacken. Wird dir an der kanadischen Grenze aber abgenommen. Nicht alleine durch Parks laufen, dich nicht in Situationen alleine mit Männern begeben, die außer Kontrolle geraten könnten, common sense.

Nach dem Sabbatical

Als dein letztes Sabbatical zu Ende ging, wie schwer fiel es dir, nach Hause bzw. in dein altes Leben zurückzukehren?

Dadurch, dass ich Dank Corona um ein ganzes Jahr verlängert hatte, war ich endlich „satt“ vom Reisen und Unterwegssein, bei der Heimkehr. Es war der richtige Zeitpunkt, und deswegen fiel es mir nicht schwer. Wie megaschwer es beim ersten Mal war, beschreibe ich in meinem Buch „Wieder da und doch nicht hier“ 😉

Schild in Kanada: Vorsicht vor Eisbären
Vorsicht vor Eisbären, Kanda. © Uta Nabert privat

Wie ging dein Leben nach der Auszeit weiter? Hat sich etwas verändert?

Nach Sabbatical Nr. 1 (Reise nach und in Neuseeland)

Alles war schlimm, ich wollte eigentlich gar in Deutschland sein. Ich wollte in Neuseeland sein, gemeinsam mit dem Mann, den ich dort kennen gelernt hatte. Dennoch blieb ich in Deutschland (Pflichtgefühl). Ich versuchte, mit meinem Partner, der während meines Sabbaticals in Deutschland geblieben war, wieder zusammenzuleben. Einst hatten wir heiraten wollen. Ich suchte mir einen Job als Redakteurin und fand ihn bei einem Magazin, dass belanglose Artikel für die Lebensmittelbranche verfasste.

Mein Partner und ich trennten uns doch noch, ich blieb noch zwei Jahre im Job und in Deutschland und dann zog ich nach Kanada los.

Sonnenuntergang auf Saltspring Island in Kanada
Sonnenuntergang auf Saltspring Island in Kanada, ©Uta Nabert privat

Erkenntnisse aus den beiden Auszeiten?

  1. Ich bin und kann viel mehr, als mir Ausbilder:innen, Lehrer:innen und sonstige Mitmenschen in Deutschland eingeredet haben.
  2. Es geht in diesem Leben um viel mehr, als diese Personen einem in Deutschland einreden.

Hat sich deine Sichtweise auf oder deine Einstellung zu Geld, Zeit, Besitz oder Konsum durch die Auszeiten verändert?

Man braucht so viel Geld im Leben, dass man

  • sich gesunde Lebensmittel leisten kann
  • eine Krankenversicherung leisten kann
  • ein Dach über dem Kopf hat
  • ein bisschen zum Sparen bleibt

Alles was darüber hinaus geht, ist Ballast, der einen im Extremfall unglücklich macht, im Normalfall aber garantiert unbeweglich und unflexibel.

Zeit ist viel kostbarer als Geld und was anderen eine Rolex ist, ist mir ein Cappuccino an einem Strand auf Waiheke Island.

Strand in Neuseeland
Typischer Strand in Neuseeland: weit und menschenleer, ©Uta Nabert privat

Konsum bedeutet immer die Zerstörung der Welt, die wir so lieben und gerne bereisen.

Seit Neuseeland kaufe ich fast nur noch Second Hand. Manchmal frage ich mich, was passieren würde, wenn man heute die Modeindustrie abstellen würde. Ich schätze, unsere Kleiderspeicher würden die gesamte Menschheit für weitere zehn Jahre einkleiden.

Buch: Wieder da und doch nicht hier

Buchcover Wieder da und doch nicht hier

Quasi zur Selbsttherapie hast du in bzw. nach deiner letzten Auszeit ein Buch mit vielen Interviews von Reiserückkehrer:innen geschrieben. Was bedeutet es dir und was sind die wichtigsten Erkenntnisse für dich daraus?

  1. Ich hab‘ s geschafft: Ich habe mir bewiesen, dass ich ein Buch schreiben kann. Dass ich es nicht bereits gleich nach der ersten Reise gemacht hatte, war einer der Gründe, warum ich danach wie ein Gespenst herumlief: In mir war dieser enorme Druck, ich dachte die ganze Zeit: Du hast so krasse Sachen erlebt und Du bist Journalistin … du MUSST das aufschreiben.
    Und dabei hörte ich die ganze Zeit diese leise Stimme, die flüsterte: Das wird nichts, der Büchermarkt ist hoffnungslos überlaufen.
    Jetzt habe ich Ruhe und Frieden gefunden, ich habe vollendet, was vollendet werden musste.
  2.  Durch das Buch finde ich den Kontakt zu ganz vielen wunderbaren Menschen, die meine Geschichte hören wollen, und die sagen: Dieses Buch spricht mich an, es hilft mir.

Was sind deine Tipps für Menschen, die es nach einer langen Reise herausfordernd finden, sich wieder im Alltag anzukommen?

Man sollte sich schon vor der Rückkehr bewusst machen, dass sie eventuell nicht leicht wird. Man sollte sich  einen Plan zurechtlegen, was man danach machen will. Und damit meine ich: Was wirklich man selbst machen will. Nicht das, was man denkt, was andere erwarten. Das kann man im besten Fall von unterwegs aus schon vorbereiten, zum Beispiel das Aussenden von Bewerbungen.

Eingeschneites Haus auf Prince Edward Island in Kanada
Eingeschneites Haus auf Prince Edward Island in Kanada, © Uta Nabert privat

Man sollte sich die Freiheit, die man auf Reisen erfahren hat, auch für zu Hause bewahren: Wenn man etwa merkt, dass das Studium, das man eben danach beginnen wollte, nichts ist, und eigentlich will man viel lieber noch ein zweites Working-Holiday-Jahr machen, dann sollte man das auch unbedingt tun.

Denk Dir die Geschichte von hinten: Was könntest Du einmal bereuen, wenn du es JETZT nicht tust?

Über Uta-Caecilia Nabert

Uta am Strand in Neuseeland
In Neuseeland: So glücklich wie zuletzt in der Kindheit. Noch heute vermisst Uta das Meer, das in Neuseeland nie mehr als 2,5 Stunden entfernt ist. © Uta Nabert privat

Ich bin Uta-Caecilia Nabert, Journalistin und Bloggerin auf „Oh wie schön ist Kanada„, wo ich vor allem Geschichten über meine zweijährige Work-&-Travel-Auszeit in Kanada erzähle. Seit Februar 2021 bin ich wieder zurück in Deutschland, seit August 2021 Redakteurin bei der NGO »Christoffel-Blindenmission«, die die Lebensqualität von Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern verbessert. Außerdem bin ich ehrenamtliche Texterin bei planted.green, einem Start-up, das Deutschlands Wälder aufforsten will.

Seit 2022 bin ich außerdem stolze Buchautorin von Wieder da und doch nicht hier. Das Honorar spende ich an planted.green – Bäume für Deutschland.

Hier ein bisschen Lesestoff von mir:

Tipps für die Weltreise

Schilfboot auf dem Titicacasee in Bolivien
Wie gemalt: Schilfboot auf dem Titicacasee in Bolivien

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