Rebecca hat gerade ihr zweites Sabbatical beendet. Beide Auszeiten hat sie zur beruflichen Neuorientierung genutzt. Gleichzeitgig hat sie währenddessen an ihrer positiven Lebenseinstellung gearbeitet und dabei die Themen Minimalismus und finanzielle Freiheit für sich entdeckt. Im Interview verrät sie uns, wie sie jeweils zu den Auszeiten kam, was sie mit ihrem Job gemacht und was ihre wertvollsten Learnings sind. Außerdem gibt sie Tipps für alle, die gern selbst ein Sabbatical machen möchten.
Ihre erste Auszeit hat Rebecca 2014 genommen, als sie einen Arbeitsvertrag einfach auslaufen ließ. Sie nutze die Zeit, um von Berlin zu ihrem Freund nach Münster in eine 30-m²-Wohnung zu ziehen, ihre Finanzen und Konten endlich einmal richtig zu ordnen und ihr altes Hobby Reiten wieder aufzunehmen. Wie nebenbei hat sie auch den Minimalismus neu für sich entdeckt.
Nach der ersten einjährigen Auszeit suchte sie sich einen neuen Job und war unbefristet im öffentlichen Dienst angestellt. Doch 2020 – mitten in der Corona-Pandemie – kündigte sie, weil sie noch eine Auszeit nehmen wollte und eine neue berufliche Herausforderung suchte. Was sie gelernt hat und was ihre größten Herausforderungen waren, erzählt sie uns heute im Sabbatical-Interview:
Wie kam es zu deiner ersten Auszeit 2014?
Meine erste berufliche Auszeit kam eher ungeplant. Meinen damaligen Job in Berlin hatte ich freiwillig nicht verlängert. Stattdessen bin ich nach Münster zu meinem Freund gezogen. Nach mehreren Jahren Fernbeziehung war das für uns beide ein wichtiger Schritt. Nach dem Umzug habe ich mir ein paar Wochen Auszeit gegönnt, um mich in unserer gemeinsamen Wohnung einzurichten und die neue Stadt kennenzulernen. Die anschließende Suche nach einer neuen Stelle hat sich dann länger als erwartet hingezogen – insgesamt rund ein Jahr. Weil ich in dieser Zeit so viel Wertvolles gelernt habe, bezeichne ich die Phase rückblickend gerne als Auszeit.
Was hast du in deinem ersten Sabbatical gemacht? War dir nie langweilig?
Ich habe zum Beispiel wieder angefangen zu reiten – ein Hobby, das ich seit meiner Kindheit nicht mehr gepflegt hatte, auf das ich aber immer noch Lust hatte. Die freie Zeit habe ich auch für Dinge genutzt, die ich lange aufgeschoben hatte. So habe ich mich zum ersten Mal ernsthaft mit meinen Finanzen auseinandergesetzt und Ordnung in meine Konten und Verträge gebracht. Außerdem habe ich mich mit völlig neuen Themen beschäftigt, vor allem Minimalismus, guten Gewohnheiten und Persönlichkeitsentwicklung. Vieles davon habe ich ausprobiert und Einiges in mein Leben übernommen.
Wie ging es dann weiter für dich? Was hat sich nach dem Sabbatical für dich verändert?
Nachdem ich dann eine neue Anstellung gefunden hatte, habe ich viel von dem in der Auszeit Gelernten anwenden können. Das betraf vor allem meine Einstellung zur Arbeit. Von Anfang an habe ich mich zum Beispiel auf die positiven Aspekte meines Jobs fokussiert und auf ein gutes Verhältnis zu meinen Vorgesetzten und Kolleg:innen. Mit der Zeit habe ich dann festgestellt, dass mir meine Arbeit immer mehr Spaß macht und die Beziehungen zu meinem Kolleg:innen immer besser werden. In schwierigen Situationen habe ich mich wiederum gefragt, was ich jeweils daraus lernen kann.
Und wie kam es zum zweiten Sabbatical, das du im Sommer 2020 begonnen hast?
Für die zweite berufliche Auszeit habe ich mich im Unterschied zur ersten ganz bewusst entschieden. Denn auch wenn im Job alles gut lief, sehnte ich mich wieder nach mehr Zeit für mich und etwas mehr Abwechslung. Ich hatte zum Beispiel schon seit langem mit dem Gedanken gespielt, einmal auf dem Jakobsweg durch Spanien zu pilgern. Außerdem wollte ich die neue Auszeit nutzen, um mir Gedanken über meine berufliche Zukunft zu machen.
Was hast du bei deiner zweiten Auszeit mit deinem Job gemacht?
Da mein Arbeitgeber keine Form des Sabbaticals fördert, war für mich die Kündigung die Möglichkeit, eine mehrmonatige Auszeit zu nehmen. Da ich nach über vier Jahren im selben Unternehmen sowieso eine neue berufliche Herausforderung gesucht habe, war das für mich auch in Ordnung.
Wie hast du dieses Sabbatical finanziert?
Mein zweites Sabbatical habe ich komplett aus eigenen Ersparnissen finanziert. In meiner ersten Auszeit hatte ich vom Konzept der finanziellen Freiheit gehört und war seitdem fasziniert von der Idee, sich durch Geld freie Zeit kaufen zu können. Außerdem hatte ich verstanden, dass ich im Grunde wenig materielle Dinge brauche, um glücklich zu sein. Dementsprechend habe ich mit Antritt meiner neuen Stelle einen relativ hohen Teil meines Gehalts zur Seite gelegt und für eine künftige Auszeit gespart.
Und war es für dich beim zweiten Mal leichter, aus deinem vermutlich relativ geregelten Leben rauszugehen?
Ja, auf jeden Fall war es diesmal leichter. In der Zwischenzeit hatte ich zum Glück gelernt, häufiger auf meine Intuition zu hören und meinen Fähigkeiten zu vertrauen. Ich war ziemlich sicher, dass ich die Auszeit auch diesmal gut nutzen können und anschließend wieder einen passenden Job finden würde.
Was sagt dein Umfeld zu deinen langen Auszeiten?
Die Rückmeldungen waren meist positiv. Ich bin weniger auf Unverständnis als auf Überraschung gestoßen. Einen unbefristeten Job im öffentlichen Dienst zu kündigen, weil man lieber etwas anders machen möchte, ist für viele ein ungewöhnlicher Schritt. Bei einigen Arbeitskolleg:innen hatte ich sogar den Eindruck, dass sie sich selbst auch gerne eine berufliche Auszeit nehmen würden. Aus finanziellen Gründen oder aus Sorge, danach keinen neuen Job zu finden, schrecken sie aber davor zurück.
Was hast du während deiner Auszeiten mit der Kranken- und Rentenversicherung gemacht?
Während der ersten Auszeit habe ich teilweise Arbeitslosengeld erhalten und war entsprechend darüber kranken- und pflegeversichert. Bei meiner zweiten beruflichen Auszeit war ich freiwillig in meiner bisherigen Krankenkasse weiterversichert und habe die monatlichen Beiträge, das sind aktuell rund 200 Euro, selbst getragen.
Du hast gesagt, dass Du gezielt für deine zweite Auszeit gespart hast. Wie genau hast Du das gemacht?
Zum einen hat mir das Führen eines Haushaltsbuch geholfen. Es hat mich dafür sensibilisiert, welche meiner Ausgaben eher überflüssig sind und worauf ich in Zukunft verzichten kann. Zum anderen habe ich zu Beginn jeden Monats einen festen Anteil von meinem Gehalt gespart. Dazu habe ich einen Sparplan bei meiner Bank eingerichtet. Da meine laufenden Kosten recht niedrig waren, konnte ich oft über 50 Prozent meines Einkommens sparen. Zu Gute kam mir dabei zum Beispiel, dass ich mit dem Rad zur Arbeit fahren konnte und kein Auto brauchte.
Du hast erzählt, dass du dich viel mit dem Thema Minimalismus befasst. Wie kam es dazu?
Minimalismus habe ich für mich entdeckt, nachdem ich zu meinem Freund in sein rund 30 m² kleines 1-Zimmer-Appartment gezogen war. Obwohl ich keine Möbel mitgebracht hatte, ist die Wohnung mit seinen und meinen Dingen fast aus allen Nähten geplatzt. Um das Platzproblem zu lösen, habe ich zuerst nach neuen Ordnungsmöglichkeiten gesucht. Durch Blogartikel bin ich dann auf die Prinzipien eines minimalistischen Lebensstils gestoßen. Dank anderer Minimalist:innen verstand ich auf einmal: Wir hatten nicht zu wenig Platz, sondern zu viel Zeug.
Was bedeutet Minimalismus für dich?
Minimalismus ist für mich ein Instrument, um unterscheiden zu können, was mir im Leben wichtig ist und was nicht. In einer Welt des Überflusses ist das wichtiger denn je, weil wir sonst unsere Ressourcen für total Unnützes vergeuden. Indem mir Minimalismus hilft, Überflüssiges aus meinem Leben zu reduzieren, gewinne ich Platz, Geld und Zeit für die Menschen und Dinge, die mir wirklich am Herzen liegen.
Wer sich näher mit Minimalismus beschäftigen möchte, dem empfehle ich meine → 5 Minimalismus-Tipps für Einsteiger.
Und wieso glaubst du, passen Reisen und Minimalismus so gut zusammen?
Wenn Dir Reisen wichtig ist, findest Du mit Hilfe des Minimalismus auch mehr Zeit und Geld dafür. Außerdem lernt man, mit weniger Gepäck auszukommen. Wer weniger braucht, reist leichter. Und ich glaube, Minimalismus hilft uns bewusster zu reisen. Man empfindet mehr Dankbarkeit für die Chance, neue Orte zu entdecken und ist achtsamer bei der Begegnung mit Fremden. Vielleicht hinterfragt man als Minimalist auch häufiger die Schattenseiten des Massentourismus und entscheidet sich eher für Slow-Travel-Angebote oder Urlaub in der Heimat.
Dein zweites Sabbatical ist gerade zu Ende. Wie geht’s jetzt weiter für dich?
Nach einer diesmal recht kurzen Bewerbungsphase habe ich vor ein paar Tagen die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für einen Dachverband für Kinder und Jugendliche übernommen. Nebenbei werde ich weiter fleißig an meiner Website frei-mutig.de arbeiten.
Wie wahrscheinlich ist es, dass du noch ein drittes Sabbatical machst? 😉
Sofern sich die Möglichkeit ergibt, immer wieder gerne! Irgendwann komme ich hoffentlich an einen Punkt, an dem ich keine Sabbaticals mehr mache, sondern meine finanzielle Freiheit erreiche. Meine Zeit frei gestalten zu können, ist mir inzwischen sehr viel wert.
Was waren deine schönsten Erlebnisse während deiner Sabbaticals? Welche Träume hast du dir erfüllt?
Ein absolutes Highlight war meine Fernwanderung auf dem Hermannsweg durch den Teutoburger Wald. Darüber habe ich auch auf dem Blog geschrieben: → Wandern auf dem Hermannsweg: 6 Lektionen, die ich dabei gelernt habe. Zum ersten Mal in meinem Leben bin ich über 250 Kilometer am Stück gewandert. Mit dem Aufbau meines eigenen Blogs habe ich mir außerdem einen lang in mir gereiften Wunsch erfüllt.
Was waren auf der anderen Seite deine Herausforderungen in Bezug auf deine Auszeiten? Wie hast du sie gelöst?
Natürlich hat mir, wie vielen anderen auch, die Corona-Pandemie einen Strich durch meine Reisepläne gemacht. Ursprünglich hatte ich vor, auf dem Jakobsweg durch Portugal und Spanien zu pilgern. Als die Reisebeschränkungen dann wieder verschärft wurden, habe ich nach einer Alternative gesucht und zum Glück auf dem Hermannsweg auch gefunden.
Die größte Herausforderung war vermutlich psychologischer Art: Sich zu trauen, Altes endgültig hinter sich zu lassen und etwas völlig Neues zu wagen. Die Verlustangst, die dahintersteht einen Job zu kündigen, habe ich überwunden, indem ich mich um meine Ersparnisse gekümmert und an einer positiven Lebenseinstellung gearbeitet habe. Beides hat mir letztlich die Sicherheit gegeben, meine Arbeit zu kündigen und die Auszeit zu nehmen.
Ausblick: Was wäre dein Tipp für jemanden, der:die überlegt, ein Sabbatical zu machen, sich aber vielleicht noch nicht so richtig traut?
Unsichere könnten zunächst mit ihrem:ihrer Arbeitgeber:in über Formen eines strukturierten Sabbaticals sprechen. Das hätte den Vorteil, dass man auch während der Auszeit einen Teil seines Gehalts erhält, versichert bleibt und anschließend wieder in den Job zurückkehren kann. Ist das nicht möglich, empfehle ich unbedingt finanzielle Rücklagen zu bilden, etwa durch automatisiertes Sparen, um während einer Auszeit auch ohne regelmäßigen Geldeingang auszukommen. Auf meinem Blog habe ich übrigens darüber einen → ausführlichen Artikel geschrieben.
Daneben würde ich dazu raten, grundsätzlich an einer optimistischen Einstellung zu arbeiten. Zum Beispiel durch das tägliche Praktizieren von Dankbarkeit, dem Erforschen der eigenen Glaubenssätze oder dem Führen eines Erfolgsjournals. Mit der Gewissheit, dass man sich auf sich verlassen kann und im Zweifel zu helfen weiß, wird man alle Hürden überwinden.
Über Rebecca und Frei-mutig
Rebecca Keller schreibt auf ihrem Blog → frei-mutig.de über Minimalismus, gute Gewohnheiten und Auszeiten vom Alltag. Anhand von vielen praktischen Beispielen erklärt sie, wie jeder von uns ein einfacheres und glücklicheres Leben führen kann. Rebecca wohnt mit ihrem Freund in Münster und verbringt ihre freie Zeit am liebsten auf Reisen, im Pferdestall oder mit Familie und Freunden.
Mehr Erfahrungsberichte: alle Sabbatical-Interviews auf Modern Sabbatical:
- #13 – mit Constance: als vierköpfige Familie 13 Monate auf Weltreise
- #12 – mit Vanessa: sieben Jahres Weltreise als Paar
- #11 – mit Sarah: vier Monate solo durch die USA
- #10 – mit Steffi aus der Schweiz: ein Jahr Weltreise als Paar
- #9 – mit Uta: zweimal Work & Travel & ein Buch
- #8 – mit Anna & Sven: 2 Weltreisen, Reise 3.0 & die Expedition Lieblingsorte
- #7 – mit Jacqueline vorab: Jobs auf Eis und 1 Jahr um die Welt
- #6 – mit Marie & Chris: One-Way-Ticket nach Zentralamerika
- #5 – mit Julia & Timo: im Geländewagen durchs südliche Afrika
- #4 – mit Nicole #4: zwei Auszeiten, einmal selbständig und zurück
- #3 – mit Imke #3: Job gekündigt und ein Jahr um die Welt
- #2 – mit Rebecca: 2 Auszeiten, Minimalismus & das richtige Mindset
- #1 – mit Claudia: 1 Jahr Weltreise durch 20 Länder auf 4 Kontinenten
2 Antworten auf „Sabbatical-Interview mit Rebecca #2: zwei Auszeiten, Minimalismus und das richtige Mindset“
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